Berufskolleg Bergkloster Bestwig

Persönlich. Christlich. Gut.

„Viele Klischees treffen nicht zu“

Wiebke Droege war als Erasmus Pro-Langzeitpraktikantin bereits drei Monate in Griechenland und arbeitet anschließend noch einmal für drei Monate auf Teneriffa. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Wiebke Droege war als Erasmus Pro-Langzeitpraktikantin bereits drei Monate in Griechenland und arbeitet anschließend noch einmal für drei Monate auf Teneriffa.

Wiebke Droege hat Griechenland bei ihrem Erasmus-Langzeitpraktikum von verschiedenen Seiten kennengelernt – nun reist sie weiter nach Teneriffa

Zwischen ihrem dreimonatigen Aufenthalt in Griechenland und ihrem dreimonatigen Praktikum auf Teneriffa kommen Wiebke Droege die zehn Tage in Deutschland ganz seltsam vor: „Da merkt man auf einmal, wie steif und umständlich wir hier sind. Die südeuropäische Kultur ist eine ganz andere.“ Lebensbejahender, direkter, unkomplizierter, findet die 19-Jährige.

Über das Programm Erasmus Pro erhielt die Fachabiturientin aus dem Berufskolleg Bergkloster Bestwig nach ihrem Schulabschluss im Juni die Möglichkeit, ein halbjähriges Langzeitpraktikum im Europäischen Ausland zu machen. Das werden die meisten Kosten von der Europäischen Union übernommen. Auf Teneriffa hatte die Eversbergerin in ihrem ersten Jahr an der höheren Berufsfachschule mit dem Schwerpunkt Gesundheit und Soziales bereits ein vierwöchiges Berufspraktikum in einem deutschen Kindergarten absolviert: „Das hatte mir so gut gefallen, dass ich mich dort für das Langzeitpraktikum beworben habe.“

Wiebke Droege in Athen mit ihren Gastbrüdern Konstantin (l.) und  Emmanuil. Die Schlange, die die drei umden Hals haben, bleibt brav. Foto: privat
Wiebke Droege in Athen mit ihren Gastbrüdern Konstantin (l.) und Emmanuil. Die Schlange, die die drei umden Hals haben, bleibt brav. Foto: privat

Im zweiten Schuljahr durfte sie über Erasmus+ ein zweites Monatspraktikum leisten, diesmal an einer deutschen Schule in Athen. „Und auch das fand ich so gelungen, dass ich gefragt habe, ob ich das halbjährige Praktikum teilen kann.“ Das war möglich. „Die Stipendiaten organisieren sich ihr Langzeitpraktikum weitgehend selbst. Soweit erforderlich, leisten wir Unterstützung. Aber in Wiebkes Fall war auch die Teilung des Praktikums kein Problem“, sagt die Lehrerin und Erasmus-Koordinatorin Irmhild Padberg. Also verbringt Wiebke Droege jeweils drei Monate in Athen und auf Teneriffa.

In der Gastfamilie griechischen Alltag kennengelernt

In Griechenland lebte die 19-Jährige, die gerne Sozialpädagogik studieren will, in einer Familie. „Die Kommunikation funktionierte gut. Denn die Eltern sprechen Deutsch“, erklärt sie. Sonst hätte sie wahrscheinlich Probleme gehabt: „Denn Englisch sprechen dort nicht viele. Und wegen der anderen Schrift kommt man in Griechenland mit dem Google-Übersetzer nicht wirklich weit.“

Wiebke Droege (r.) mit ihrem Gastvater Nikos, der Kinderbetreuerin Alex aus der Igelgruppe und Gastmutter Dimitra (v.l.)  am Rande des Athen-Marathons. Die Eversbergerin lief auf der 5 Kilometer-Strecke mit in das antike Olympiastadion ein. Foto: privat
Wiebke Droege (r.) mit ihrem Gastvater Nikos, der Kinderbetreuerin Alex aus der Igelgruppe und Gastmutter Dimitra (v.l.) am Rande des Athen-Marathons. Die Eversbergerin lief auf der 5 Kilometer-Strecke mit in das antike Olympiastadion ein.

Der Vater der Gastfamilie arbeitet als Deutschlehrer an derselben Schule, in der die Sauerländerin ihr Praktikum absolvierte. „Dabei war der dreimonatige Einsatz viel intensiver als der vierwöchige vor einem Jahr“, vergleicht die Fachabiturientin beide Aufenthalte. Sie habe viel mit den fünf- bis sechsjährigen Kindern in der Vorschule arbeiten dürfen, beispielsweise Projekte zu den Jahreszeiten durchgeführt und mit ihnen Kalender gebastelt. Dabei habe sie sich als Mitglied des Kollegiums gefühlt. „Und das schon ab dem ersten Tag, an dem ich gleich am Lehrerausflug teilnehmen durfte. Da wurde viel getanzt, gelacht und gefeiert. Die Griechen haben ja das Feiern erfunden. Das war da zu spüren.“ Lehrerausflüge an deutschen Schulen stellt sie sich anders vor.

Die Kinder der deutschen Schule kommen aus der gehobenen Mittel- und Oberschicht. „Diese Schule nimmt ein hohes Schulgeld, und das können sich nur wenige leisten“, weiß Wiebke Droege. Dennoch hat sie auch die arme Seite Griechenlands kennengelernt. Nicht nur bei Spaziergängen durch die verschiedenen Stadtviertel, sondern auch in der direkten Umgebung der Gastfamilie: „Die Familie des Nachbarn hat derzeit zum Beispiel keinen Strom, weil sie die Rechnungen nicht bezahlen kann.“ An vielen Stellen fielen der Deutschen Baustellen auf, auf denen niemand mehr arbeitet. Oder offene Leitungen, die nicht repariert werden. „Das sind die Folgen der Wirtschaftskrise.

Und die Verärgerung über die Deutschen ist immer noch spürbar“, sagt die Eversbergerin. Mit ihrem Gastvater sah sie im Sommerkino einen Film, der zeigt, wie sich deutsche Unternehmen aus griechischer Sicht in der Bankenkrise verhalten und an der Pleite Griechenlands verdient haben. „Auch die Arroganz deutscher Urlauber, die ich dort erlebt habe, bestätigt alle Vorurteile“, muss die 19-Jährige eingestehen.

Umgekehrt stellte sie fest, dass viele der Klischees, die man in Deutschland über Griechenland kenne, gar nicht stimmen: „Dazu gehört das Essen. Denn die Griechen essen sehr gesund und vor allem vegetarisch.“ Das sei man hier aus griechischen Restaurants ganz anders gewohnt.

Sichtweisen zum Land haben sich geändert

In vielerlei Hinsicht denke sie heute anders über Griechenland als vor diesem Aufenthalt. Und vermutlich wird sie nach den nächsten drei Monaten auf Teneriffa ähnliche Erkenntnisse über Spanien gewinnen. Auf der kanarischen Insel wird Wiebke Droege bis Anfang März in einer deutschen Grundschule eingesetzt. „Dieses Zentrum, zu dem auch der Kindergarten gehört, in dem ich bei meinem ersten Aufenthalt mitgearbeitet habe, kenne ich ja. Darauf freue ich mich.“

Auch Irmhild Padberg hat diese Einrichtung auf Teneriffa schon besucht: „Die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr kooperativ. Wir haben inzwischen gute Kontakte aufgebaut. Im Frühjahr brechen wieder sechs unserer Schülerinnen und Schüler zu einem vierwöchigen Berufspraktikum nach Teneriffa auf.“

Der Kindergarten gehört dort wie in Athen zu dem Komplex einer deutschen Schule. Aber anders als in der griechischen Hauptstadt besuchten diese Einrichtung trotz Schulgeld auch Kinder aus ärmeren Familien. „Denn deren Eltern tun manchmal alles, damit sie hier zum Unterricht können“, hat Wiebke Droege bereits bei ihrem ersten Aufenthalt erfahren.

Deutsch zu können, bedeute in Spanien, bessere Berufs- und Zukunftsperspektiven zu haben. Nicht nur, weil viele Deutsche in Spanien Urlaub machen und deshalb Deutschkenntnisse in der Tourismus-Branche wichtig sind. Sondern auch, weil viele Spanier in Deutschland studieren oder eine Ausbildung absolvieren wollen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in ihrem Heimatland hoch. Umso wichtiger seien Sprachkenntnisse und eine qualifizierte Ausbildung.

„Nach den zehn Tagen im Sauerland ist das Ankommen auf Teneriffa sicher wieder ein krasser Kontrast“, ahnt die Fachabiturientin. Aber sie sieht auch dem zweiten Teil ihres Langzeitpraktikums voller Spannung entgegen.