Das Berufskolleg Bergkloster Bestwig ist ist jetzt für die „Internationale Zusammenarbeit in der europäischen Berufsbildung“ zertifiziert. Das Zertifikat wurde heute „online“ übergeben.
Das Zertifikat des Landesministeriums für Schule und Weiterbildung bescheinigt der Schule, dass Schülerinnen und Schüler hier im Unterricht die „erweiterte Fach- und Personalkompetenzen zu einer internationalen Beschäftigungsfähigkeit“ erwerben. Zusammen mit der Akkreditierung bei der Nationalen Agentur für berufliche Bildung stellt es auch sicher, dass die Finanzierung ausbildungsbegleitender Praktika und Arbeitsaufenthalte durch das Erasmus-Programm bis 2027 gesichert ist.
Für Schüler heißt das: sie bekommen ein länderspezifisches Stipendium, das die Aufenthalts- und Reisekosten abdeckt. Wer zum Beispiel für ein Jahr im Rahmen von ErasmusPro nach Malta geht, bekommt knapp 12.000 Euro.
Zur Zertifikatsübergabe per Videokonferenz waren heute auch Florian Born aus Dänemark und Benedikta von Levetzow aus Teneriffa zugeschaltet. Von Levetzow leitet eine deutsche Schule in Puerto de la Cruz, an der bereits einige Schülerinnen und Schüler aus Bestwig gearbeitet haben.
Das waren allerdings keine angehenden Erzieher oder Kinderpfleger, sondern Schülerinnen des Bildungsgangs Gestaltungstechnik. Anfangs, so Levetzow, habe sie große Bedenken gegen den Einsatz dieser Praktikantinnen gehabt, weil sie eben nicht vom Fach waren. Aber nur anfangs, denn die Schülerinnen seien hoch motiviert, aufgeschlossen und sehr begabt gewesen. Ein schöner Film mit Impressionen von Teneriffa ist dabei auch zustande gekommen.
Florian Born, der vier Kindergärten der deutschen Minderheit in Dänemark leitet, berichtete, dass die Kinder und die Mitarbeiter schon immer fragen, wann denn die neuen Praktikanten kommen. Es gebe auf seiner Seite bei allen Beteiligen eine große Neugier zu erfahren, wie manche Dinge in Deutschland gemacht werden und warum. Für ihn dürften die Praktika auch gerne länger dauern.
So ein Auslandaufenthalt, meint Born, sei eine Erinnerung für’s Leben. Diese Auffassung bestätigte auch Schulleiter Michael Roth: Für viele Schüler sei das Erasmus-Praktikum der erste Auslandsaufenthalt ohne die Eltern und ein Katalysator für die Persönlichkeitsentwicklung.
Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen.
Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1795/6. 5. Buch, 2. Kap., Briefzitat an Wilhelm
Die jungen Leute erwerben auf diese Weise nicht nur Einblicke in professionelles Handeln in anderen Rahmenbedingungen und kulturellen Hintergründen, sondern auch interkulturelle Kompetenz.
Interkulturelle Kompetenz sei genau das, was in einer multikulturellen Gesellschaft, die wir in ganz Europa haben, gebraucht werde, sagte Karsten Mielke von EU-Geschäftsstelle Wirtschaft und Berufsbildung der Bezirksregierung Arnsberg, der auch das Zertifikat überreichte. Das Zertifikat sei entstanden, weil alle Regierungen wollen, dass Auszubildende ins Ausland reisen, um zu lernen, so Mielke.
Und die Auszubildenden wollen das offenbar auch. Seit 2008 haben Schülerinnen und Schüler des Berufskollegs Bergkloster Bestwig die Möglichkeit, Praktika im europäischen Ausland zu machen. Anfangs waren es acht Schüler, die es in die Ferne zog, zehn Jahre später schon 100. Wäre nicht die Pandemie dazwischen gekommen, wären im vergangenen Jahr 250 Lernende und fünf Lehrende für ein paar Wochen ins europäische Ausland gegangen. Deren Reisen sollen jetzt 2022 stattfinden.
Wiebke Droege war während ihrer Schulzeit in Bestwig insgesamt fünf Mal mit Erasmus unterwegs und hat an deutschen Schulen in Athen und auf Teneriffa gearbeitet. Sie war vor allem von den Kollegien in beiden Gastländern.
Carina Eickhoff war vier Wochen in Florenz. Dort hat sie an verschiedenen Projekten gearbeitet. “Wir hatten keinen Lehrer hinter uns, sondern waren auf uns allein gestellt”, berichtete sie. In Florenz habe sie Eigenverantwortung gelernt, ihr Englisch verbessert und ein bisschen Italienisch gelernt. Außerdem habe sich das Praktikum für ihre Bewerbungen bezahlt gemacht. Sie arbeitet heute bei einer Werbeagentur und absolviert ein berufsbegleitendes Studium.
Stephanie Schulte, Christoph Recker und Jana Gierse, Lehrende am Berufskolleg haben das Erasmus-Programm ebenfalls genutzt, um Schule und Ausbildung im europäischen Ausland näher kennenzulernen. Sie waren in Finnland, Polen, Österreich und Griechenland – auch auf der Suche nach neuen Austauschprojekten für Schüler und Lehrer.
In Zukunft noch mehr
Die sollen, wie Irmhild Padberg abschließend in Aussicht stellte, in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. Dazu gehören sogenannte eTwinning-Projekte die den fachlichen Austausch europäischer Schulen fördern sollen, internationale Fortbildungen für Bildungspersonal und die Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit bei Lehrplänen. Und weil Schüler schon nach Aufenthalten in USA und China fragen, gehört auch die weltweite Ausbildung zu den Zukunftsprojekten. Auch erlaubt das Erasmus-Programm, ausländische Experten einzuladen.
Dass die Praktika während der Schulzeit derzeit nur vier Wochen dauern, ist den deutschen Lehrplänen geschuldet. Mit dem Erasmus-Programm können sie auch länger sein. Dazu müsste aber der Unterrichtsstoff in Deutschland mehr verdichtet werden, erläuterte Schulleiter Roth.
Aber vielleicht findet sich auch hierfür schon bald ein Lösung. Durch die Pandemie haben alle in Sachen E-Learning und hybrides Lernen hinzugelernt. Gut möglich, dass man einen Teil des deutschen Unterrichts auch für eine Weile über das Internet im Ausland haben kann.
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