Berufskolleg Bergkloster Bestwig

Persönlich. Christlich. Gut.

„Pastoral und Unterricht nicht trennen“

Professor Dr. Oliver Reis von der Universität Paderborn wird den Prozess der Profilschäfung wissenschaftlich begleiten. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Professor Dr. Oliver Reis von der Universität Paderborn wird den Prozess der Profilschäfung wissenschaftlich begleiten.

Berufskolleg startet Prozess zur Schärfung des christlichen Schulprofils

Kirchliche Verkündigung und guter Unterricht: Passt das in der heutigen Zeit noch zusammen? Eine Arbeitsgruppe am Berufskolleg Bergkloster Bestwig will dieser Frage im kommenden Jahr nachgehen und auf diese Weise das katholische Schulprofil schärfen.

Das Berufskolleg mit seinen 600 Schülerinnen und Schülern gehört zu fünf Modellschulen im Erzbistum Paderborn, die sich im Laufe eines Jahres mit dieser Frage auseinandersetzen. „Ich hatte in der Konferenz der katholischen Schulleitungen Interesse daran angemeldet. Das Kollegium trägt das Anliegen mit. Und wir wurden mit ausgewählt“, freut sich Schulleiter Michael Roth.

Schulleiter Michael Roth lädt zum Mitdenken ein. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Schulleiter Michael Roth lädt zum Mitdenken ein.

Zum Auftakt referierte Professor Dr. Oliver Reis vom Institut für Katholische Theologie an der Universität Paderborn am Dienstagmorgen im Berufskolleg vor rund 50 Lehrerinnen und Lehrern über das Thema. Er erklärte: „Der leistungsorientierte Unterricht steht immer mehr im Mittelpunkt. Die Schulpastoral gerät dadurch an den Rand. Das nehmen wir an vielen kirchlichen Schulen wahr.“ Seine These lautet aber: „Beides schließt sich nicht aus.“

Die Schulpastoral, die Atmosphäre innerhalb der Schulgemeinschaft und der besondere Geist seien die drei wesentlichen Größen, die in den Schulprogrammen christlicher Schulen aufeinander bezogen würden – „der Unterricht aber scheint davon entkoppelt“, stellt der Religionspädagoge fest. Insofern seien der kirchliche Vollzug in der Verkündigung und guter Unterricht offenbar zwei Ansprüche, die sich nicht aufeinander beziehen: „Je intensiver und leistungsbezogener der Unterricht, desto weniger Energie fließt in die Produktion der Gemeinschaft.“ Dabei müsse man sich an einer katholischen Schule aber durchaus fragen, ob ein Gottesdienst nicht vielleicht sogar die beste Vorbereitung kurz vor den Abiturprüfungen sei.

Professor Dr. Oliver Reis erläutert, wie sich die scheinbare Diskrepanz zwischen zunehmender Leistungsanforderung und christlichem Schulprofil auflösen lässt. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Professor Dr. Oliver Reis erläutert, wie sich die scheinbare Diskrepanz zwischen zunehmender Leistungsanforderung und christlichem Schulprofil auflösen lässt.

Werte vermitteln

„Wenn man beide Bereiche – Pastoral und Unterricht – stärker voneinander trennt, hat man weniger Probleme. Aber dann hat man eben auch weniger Profil“, warnte Reis. Dabei sei die Frage vermittelter Werte immer mit der Wissensvermittlung verknüpft: „Denn jeder Unterricht erfordert eine Wertehaltung. Werte und Anforderungen sind auch im Berufsleben vorgegeben. Selbst jemand, der mobbt, lebt damit Werte“, machte der Theologe klar.

Die Frage sei also nicht, ob man Werte vermittelt, sondern welche. Und er wagte die These: „Vielleicht wird der Unterricht ja auch besser, je besser er durch Pastoral, Atmosphäre und den Geist der Schule gerahmt ist.“ Denn eine funktionierende Schulgemeinschaft und klare Wertevorstellungen seien eine Entlastung.

Den Fluss unterbrechen

Auf Moderationskärtchen stellen die Lehrenden Anfragen an den Prozess. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Auf Moderationskärtchen stellen die Lehrenden Anfragen an den Prozess.

Die Lehrer müssten dazu die Gelegenheiten wahrzunehmen, die sich zur Erörterung gesellschaftlicher, ethischer und religiöser Fragen ergeben – und das nicht nur im Religions- oder Politikunterricht. Oliver Reis nannte zwei Beispiele: „Wenn im Chemie-Unterricht ein Experiment misslingt und der Lehrer sagt, ‚Nomalerweise klappt das. Das müsst Ihr mir jetzt einfach glauben‘ – so steht die Tür in diesem Moment für einen Exkurs zum Thema Glauben weit offen. Und wenn die Lateinlehrerin beim Übersetzen eines Textes auf die Feststellung einer Schülerin ‚Gut, dass es heute keine Sklaverei mehr gibt‘ antwortet ‚Ja, das waren früher ja auch andere Zeiten‘ – dann wurde die Tür mit einem Satz wieder zugeschlagen.“

Der Theologie-Professor betonte: „Das Konzept der Stunde in diesen Momenten zu unterbrechen, ist etwas, das Pädagogen ebenso wie Schülerinnen und Schüler lernen müssen: Auszuhalten, dass der Fluss nicht einfach weiter strömt, ist etwas, das nur gemeinsam gelingt.“

Ebenso biete ein täglicher Morgenimpuls als Übergang von Pastoral zum Unterricht viele Möglichkeiten, die aktuelle Situation der Klasse oder einzelner Schülerinnen und Schüler einzubeziehen.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Isabelle Hoyer stellt die Ergebnisse eines Modellprojektes in einer Schule vor. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Isabelle Hoyer stellt die Ergebnisse eines Modellprojektes in einer Schule vor.

Spirituelle Orte schaffen

Wichtig seien dafür auch physische Räume und spirituelle Orte. Das verdeutlichte die wissenschaftliche Mitarbeiterin Isabelle Hoyer an dem Modellprojekt einer Schule. Dort ging es um die Position eines Kreuzes, das etwas versteckt am Rande des Schulhofes stand. Das Kollegium setzte sich mit dem Verhältnis der Menschen zur Religion auseinander – und stellte fest: „Man musste es gar nicht umstellen. Sondern man kann seine Position dort, genau an dieser Stelle, zum Thema machen.“

Nähe zum Kloster nutzen

Spiritueller Ort: Im Dezember 2019 besuchte Erzbischof Hans-Josef Becker das Berufskolleg. Auch er ließ sich - hier von Schulseelsorger Dr. Christoph Recker im Meditationsraum - das christliche Leben am Berufskolleg erklären. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Spiritueller Ort: Im Dezember 2019 besuchte Erzbischof Hans-Josef Becker das Berufskolleg. Auch er ließ sich – hier von Schulseelsorger Dr. Christoph Recker im Meditationsraum – das christliche Leben am Berufskolleg erklären.

Abschließend verteilte der Religionspädagoge mit seinen beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Zettel an die rund 50 anwesenden Lehrerinnen und Lehrer des Berufskollegs. Darauf sollten sie notieren, welche Anliegen sie in den Prozess einbringen wollen, um das Schulprofil zu schärfen. Eine griff sich der Vortragende heraus – und die hinterfragte das Verhältnis der Schule zum benachbarten Kloster.

„Exemplarischer hätte diese Karte kaum sein können“, bedankte sich Schulleiter Michael Roth. Denn diese Frage bringe das Thema des anstehenden Prozesses auf den Punkt: „Wie wird der Schulträger und mit ihm das christliche Leitbild bei uns erfahrbar?“ Das sei für Pastoral, Atmosphäre und Geist der Schule sehr wichtig – „denn das ist unser Alleinstellungsmerkmal: Wir sind im Hochsauerland-Kreis das einzige Berufskolleg in kirchlicher Trägerschaft.“

Bei dem anschließenden pädagogioschen Arbeitstag beschäftigten sich die Lehrerinnen und Lehrer mit dem Thema Digitalisierung - auch hier werden Weichenstellungen für das Schulprofil vorgenommen. Foto: SMMP/Ulrich Bock
Bei dem anschließenden pädagogioschen Arbeitstag beschäftigten sich die Lehrerinnen und Lehrer mit dem Thema Digitalisierung – auch hier werden Weichenstellungen für das Schulprofil vorgenommen.

Digitalisierung prägt Schulprofil mit

Anschließend widmeten sich die Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen eines pädagogischen Arbeitstages der Digitalisierung de Unterrichts. Und Professor Reis gab ihnen mit auf den Weg: „Auch in digitalen Medien gibt es extrem wichtige Weichenstellungen. Dieses Thema ist eng mit vielen Fragen eines christlichen Schulprofils eng verknüpft.“