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„Mir kann das nicht passieren“

Hermann Wenning beantwortet zahlreiche Schülerfragen zu seiner Biografie. Foto: SMMP/Bock
Hermann Wenning beantwortet zahlreiche Schülerfragen zu seiner Biografie. Foto: SMMP/Bock

Ex-Junkie Hermann Wenning berichtet Fachoberschülern von seiner Drogenkarriere

Aus Frust über einen Muskelfaserriss bei einem 10.000 Meter-Lauf nahm Hermann Wenning zum ersten Mal Ecstasy. „Das war mein Einstieg in die harten Drogen“, berichtete der Buchautor am Mittwoch vor aufmerksamen Fachoberschülern des Berufskollegs Bergkloster Bestwig. Sieben Jahre später – nach Heroin-Sucht, Kriminalität, Gefängnis und Entziehungskur, stand er wieder am Start. Und er gewann. Das war sein Lauf zurück ins Leben.

Unter diesem Titel veröffentlichte der in Hamm lebende Ex-Junkie vor zwei Jahren seine Biografie. Deutschlehrerin Cordula Hölting war darauf aufmerksam geworden und lud den Autoren zur Lesung und Diskussion mit den Schülern ins Berufskolleg ein.

„Mir kann das nicht passieren“, hatte Hermann Wenning sich früher immer gesagt. „Und noch als ich längst abhängig war, dachte ich: Da kommst Du selbst wieder raus.“ Die Erkenntnis, dass das doch nicht mehr geht, ließ ihn gleichgültig werden: „Alles in meinem Leben drehte sich um Drogen. Da war es auch egal, ob ich im Gefängnis war oder nicht“, blickt der heute 48-Jährige zurück. Denn auch in der JVA habe man es überwiegend mit Abhängigen zu tun – „und die besorgen sich den Stoff sogar in der Zelle.“

Eine unbeschwerte Kindheit

Hermann Wenning hatte eine unbeschwerte Kindheit auf dem Bauernhof bei Legden im Münsterland. Nichts deutete auf Probleme hin. Aber bei Familienfesten wurde immer schon reichlich getrunken. „Das ging mit 13 oder 14 los. Da wurde ich gefragt: Willst Du nicht mal eins mittrinken? Und wenn man auf einer Party war, wurde ich geradezu bedrängt.“ Ein Schüler bestätigte, dass er solche Situationen auch heute erlebe: „Entschuldigt ist man nur, wenn man fährt.“

"Man muss auch zu seinen Schwächen stehen", sagt Hermann Wenning. deshalb schafft er es auch, über seine Vergangenheit zu berichten. Foto: SMMP/Bock
„Man muss auch zu seinen Schwächen stehen“, sagt Hermann Wenning. deshalb schafft er es auch, über seine Vergangenheit zu berichten. Foto: SMMP/Bock

Mit 18 Jahren merkte Hermann Wenning, dass etwas nicht stimmt. „Aber ich war ein Quartalstrinker, der immer wieder für ein paar Monate trocken war. Deshalb glaubte ich lange, den Alkohol kontrollieren zu können.“ Wenn man aber nach einem oder zwei Bier nicht mehr aufhören könne, sei das nicht mehr der Fall.

Der gelernte Landwirt arbeitet bei der Müllabfuhr, blockte Nachfragen ab und ignorierte die Sucht. „Wie könnten wir denn auf jemanden einwirken, bei dem wir vermuten, dass er süchtig ist?“, wollte eine Auszubildende wissen. „Man wird nur clean, wenn man es wirklich will“, erklärte Wenning, der selbst seine erste Entziehungskur abbrach. „Aber lassen Sie nicht locker: Sprechen Sie ihre Freunde offen darauf an. Immer wieder. Das macht ihnen zumindest klar, dass Sie es merken.“

Zeitungsartikel brachte die Wende

Auch Hermann Wenning hätten die Nachfragen der Familie und seiner Freunde immer am meisten beschäftigt. Er brauchte schließlich 2000 bis 3000 Mark für seinen monatlichen Drogenkonsum. Den Job hatte er schon verloren. Also suchte er in entlegenen Industriegebieten nach Beute. Bis die Kripo vor seiner Haustür stand. Festnahme, Verurteilung, vorzeitige Entlassung, Entziehungskur, Abbruch, Untertauchen im Hamburger Drogenmilieu, erneute Einbrüche, die zweite Festnahme. Hermann Wenning hat alles mitgemacht. Bis ein Brief von seinem jüngsten Bruder die Wende brachte: Der hatte ihm einen Zeitungsartikel zur Geschichte der Legdener 10 000 Meter-Läufe geschickt, in dem auch Wennings Name abgedruckt war. Denn vor seinem Muskelfaserriss hatte er den Lauf mehrmals gewonnen.

„Das löste in mir einen Adrenalin-Schub aus.“ Und so begann der inzwischen 35-Jährige im Gefängnishof wieder zu laufen. „Jeden Tag ein bisschen länger. Auch andere Häftlinge schlossen sich an. Und ich merkte, wie gut mir das tat. Sport war meine Therapie.“ Dass ausgerechnet Ausdauersportler Lance Armstrong sein großes Vorbild war, hat im Rückblick ironische Züge: „Aber schließlich durfte ich an ersten Läufen teilnehmen, bean-tragte einen Langzeit-Entzug und wurde unter Auflagen entlassen.“

Nur fünf Prozent schaffen den Absprung

Hermann Wenning gehört zu den fünf Prozent der Abhängigen von harten Drogen, die den Ausstieg schaffen. „Dagegen sind viele, die in meinem Buch vorkommen, schon tot“, mahnt der Autor. Auch er wird immer alkoholkrank bleiben. „Abhängigkeit und Entzug sind schwer nachvollziehbar. Aber stellen Sie sich vor, man würde Ihnen das Internet wegnehmen. Für immer. Und fragen Sie sich dann, ob das vielleicht auch eine Suchtgefahr ist.“ Da kamen die Schüler ins Grübeln.