Modellprojekt des Erzbistums Paderborn zum katholischen Schulprofil am Berufskolleg Bergkloster Bestwig mündet in einer Haltungsfrage
Seit zwei Jahren tauschen sich die Lernenden mit den Lehrenden am Berufskolleg Bergkloster Bestwig über das Profil ihrer Schule aus – vor allem mit der Frage, was ihre Einrichtung katholisch macht. „Dabei ist dieser Prozess auf Augenhöhe schon genau das, was für diese Schule steht“, verdeutlicht Professor Dr. Oliver Reis von der Universität Paderborn. Er begleitet dieses Modellprojekt des Erzbistums Paderborn, das noch bis zum Sommer 2023 dauert.
„Wir nehmen uns in diesem Prozess auf einmal ganz anders wahr“, erläutert Schülerin Hannah Theine. Sie strebt am beruflichen Gymnasium des Berufskollegs mit den Schwerpunkten Gesundheitswissenschaften und Biologie ihr Abitur an. „Bis jetzt habe ich mich immer als Rädchen einer Maschine im System Schule gesehen“, sagt sie. Mit diesem Verständnis kämen die Schülerinnen und Schüler auch ans Berufskolleg. Die Lehrerinnen und Lehrer geben als Autoritäten den Rahmen vor. Das präge die Kommunikation.
Gemeinsamer Workshop
Ende November trafen sich zehn Schülerinnen und Schüler mit zehn Lehrkräften zu einem Workshop, bei dem es um diese Themen ging. Dessen Ergebnisse sollen in einen pädagogischen Tag am 13. Dezember einfließen. Denn auch da stehen Fragen der Schulentwicklung und des Miteinander-Umgehens im Blickpunkt. „In diesem Prozess fühlen wir uns als Schülerinnen und Schüler ernst genommen“, freut sich Hannah Theine.
Perspektiv-Wechsel
„Wichtig ist der Perspektivwechsel“, betont Michael Roth: Nicht zu meinen, man wüsste schon, was die Lernenden denken, sondern sich wirklich anzuhören, was sie denken. Das sei zugleich ein Paradigmenwechsel, der Auswirkungen auf weitere Arbeitsgruppen zur Individualisierung des Unterrichts, zur individuellen Förderung und zur Selbstorganisation der Schülerinnen und Schülern habe. „Es wird eine Herausforderung sein, alles miteinander zu verbinden“, sagt Michael Roth – doch gibt er sich überzeugt: „Dieses Kernprojekt kann zur DNA für die anderen Prozesse werden.“
Die Lehrerin Lisa Usler fand es spannend, in diesen Prozess zum Schulprofil einzusteigen: „Erst war ich skeptisch. Aber es geht darum, den Unterricht zu öffnen, Menschlichkeit in den Blick zu nehmen. Das sprach mich an. Dabei kann ich viel lernen, weil wir Themen besprechen, für die im Unterricht keine Zeit bleibt und die auch in unserem Studium so nicht vorkamen.“ Das wertschätzende Miteinander erlebt sie als intensive Erfahrung: „Ein solches Tandem zwischen Schülern und Lehrern hat man ja nicht so oft.“
Neues Rollenverständnis
Hildegard Haakshorst, die den Prozess von Lehrerseite aus verantwortlich koordiniert, sammelt interessante Beobachtungen: „Einige Schülerinnen und Schüler nehmen hier – ebenso wie einige Kolleginnen und Kollegen – neue Rollen ein. Wir wollen, dass sich jeder mit seiner Identität einbringt, ohne verletzt zu werden. Alles Denkbare darf geäußert werden.“ Sie hofft, dass sich das nun auch auf den Schulalltag überträgt und Lehrende wie Lernende nicht wieder in alte Muster zurückfallen.
Oliver Reis sagt: „Wir wollen diesen Prozess als Kraftmoment verstehen.“ Das gelinge am Berufskolleg Bergkloster Bestwig sehr gut. „Ich komme immer gerne hierher. Es ging nie darum, Recht durchzusetzen, sondern offen zu sein und voneinander zu lernen.“ Die Ergebnisse seien teilweise überraschend, sozial fortschrittlich und erkenntnistreibend. Sie könnten Grundlage eines neuen Schulmodells werden. Dass im Austausch manche Forderungen überakzentuiert, Stellungnahmen gefärbt und Themen emotional besetzt seien, gehöre dazu – „aber es geht ja nicht um Zahlen, sondern darum, persönliche Einblicke zu erhalten. Und das ist schon der Einstieg in eine neue Kommunikations- und Schulkultur.“
„Zur Freiheit befreit“
In diesem Zusammenhang erinnert Reis an den Epheserbrief, in dem es heißt: „Ihr Christen seid zur Freiheit befreit.“ Der Religionspädagoge unterstreicht: „Wenn etwas christliche Schule ist, dann ist es das, solche Freiräume zu eröffnen. Indem man Rahmen sprengt, ohne dabei freilich unterzugehen oder sich zu verlieren.“ Ein Fundament dafür sei der Glaube, „aus dem wir die Kraft finden sollten, loslassen zu können.“ Und eine wichtige Orientierung bleibe darüber hinaus das Leitbild der Schule.
Michael Roth erinnert an die Begriffe Gottvertrauen und Barmherzigkeit, die das Charisma der schon im 18. Jahrhundert reformpädagogisch arbeitenden Maria Magdalena Postel als Ordensgründerin und der Schwesterngemeinschaft als Gesellschafterin der Schule bis heute prägten: „Daraus ergibt sich nicht nur die Chance, Schule immer wieder neu zu gestalten, sondern sogar die Pflicht.“ Das führe auch zu einer neuen Kommunikationskultur. Dann sei es leichter möglich, Ungerechtigkeiten wie die zwischen den Bildungsgängen, das Autoritätsgefälle oder Machtkämpfe zu überwinden – „und um den Gebrauch von Handys wird es keine Eskalation mehr geben.“
Vielfalt aushalten
Zweifellos sei der Prozess fordernd, räumt Oliver Reis ein: „Es geht um gegenseitiges Verständnis, um Transparenz und darum, Vielfalt auszuhalten. Aber genau das steht ja im Leitbild der Schule.“ Schülerin Hannah Theine meint: „Die Kommunikation ist dabei gleichermaßen Problem wie Lösung.“
Und wenn es das Ziel sei, den Veränderungsprozess in der Schulkultur zu etablieren, stelle auch der schnelle Wechsel der Schülerschaft ein Problem dar, meint Lisa Usler: „Unsere Auszubildenden bleiben ja höchstens drei Jahre. Aber die Sichtweisen ähneln sich. Die Erfahrungen können weitergegeben werden. Wir bleiben in einem Prozess, der Schule und Unterricht hinterfragt und veränderbar macht.“ Das findet sie genauso spannend wie Hildegard Haakshorst: „Hier geht es letztlich weniger um ein Ergebnis als um eine Haltungsfrage. In eine permanente Veränderung zu gehen, wäre die Umsetzung einer ziemlich radikalen Idee. Aber sie wäre das gedachte Ideal.“
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